the wave watcher / die wellenschauer

Etwas

 

das man nicht zu viel machen kann

 

besser als Fernsehen oder zumindest genau so

unterhaltsam:

Wellenschauen

 

 

 

Die Vormittagswellen, die Nachmittagswellen und die Abendwellen.

 

 

watch the waves. hear the sea.

 

 

Die unterschiedlichen Wellen, die einem gerne zu Kopf steigen und über den Kopf reichen.

 

Die frisch gewaschenen Wellen,

 

die hastig gekämmten Wellen,

 

die gekräuselten, die langmähnigen, die hochgeföhnten Dauerwellen

 

und so weiter.

Seeleute unterscheiden dutzende Wellenarten, die wave watcher auch.

 

Nicht genug bekommen.

 

Sich anfüllen lassen. Von der Weite des Meeres.

 

Dieselbe Weite von allen Seiten des Schiffes aus gesehen. Gute 17 Seemeilen. Dann kommt der Strich. Waagrecht, manchmal ausgefranst, zackig, manchmal glatt. Dann beginnt ein anderes Blau.

 

 

 

Das Meer – reines Oberflächenphänomen. Oberfläche mit einem unsichtbaren Abgrund.

 

5 000 Meter.

 

4 000 Meter.

 

Unter diesem Durcheinander und dieser Ruhelosigkeit ist eine Fülle, eine Dimension die den Kopf, der sich dies vorzustellen vermag, auf die Größe eines Staubkorns zerdrückt.

 

 

 

Eine Oberfläche mit Struktur, mit kleinsten Teilen, die sich verschieben und bewegen wie ein fein gewobenes Tuch, das lebt und eine Kraft und Spannung in sich trägt.

 

 

Wasser.

 

Wellenschauen.

 

 

Immer wieder auf der Brücke stehen oder auf der Brückennock, die beiden Seitenbalkone der Brücke, und aufs Meer starren.

 

 

 

Warum geht man nicht jeden Tag außer Haus und denkt sich: WAU – die Straße! Die Häuser! Weil sie sich nicht bewegen. Und warum stellt man sich nicht jeden Nachmittag ans Fenster und beobachtet mit und ohne Fernglas für Stunden das Treiben an der Kreuzung?

 

Auto bleibt stehen              Autos kreuzen

 

  fährt los                          Autos queren.

 

 

 

Wir tun es nicht, trotzdem sich hier etwas bewegt.

 

 

 

1) Die Bewegungen auf der Straße sind keine Oberflächenphänomene.

 

2) Jedem Auto, das quert, jede Passantin, die vorbei schlendert, haftet ein Beweggrund an, ein Woher und ein Wohin.

 

3) Dadurch erhalten die Bewegungen einen bestimmten Ablauf, ein Davor und Danach. Aufgefädelt werden sie auf einer Kette, der entlang sich Geschichten erzählen lassen.

 

4) Die Tiefe ist nicht einfach da, unter der bewegten Oberfläche, sondern sie muss erzählt, muss erfunden werden.

 

5) Das Lechzen nach Tiefgang stört die Augen in ihrem Unterfangen.

 

6) Das Bewegungsstaccato auf der Straße sticht in die Augen, sie können sich nicht ausruhen, werden immer wieder benetzt von dem Speichelfaden einer möglichen Kausalchronolgie, einer möglichen Verkürzung des Verstandes.

 

 

 

Das Meer aber lässt sich nicht verkürzen,

 

es lässt eine_n nicht auf einen guten oder schlechten Ausgang der Geschichte hoffen.

 

Der Atlantik ist auch ohne Woher und Wohin mitunter sehr unterhaltsam.

 

 

 

hear the sea / meerhörer

 

 

 

Es war bewegt auf unserer Reise. Das Meer. Aber nie war es wütend, es war zerzaust, aufgewühlt, neckisch und auch übermütig… aber wütend?

 

Nein.

 

Ob es überhaupt fühlen kann?

 

Bestimmt. nicht so wie wir Menschen.

 

Aber

 

was geschieht, wenn sie zornig wird, die See?

 

Was machen die Seeleute dann?

 

Weiter schwimmen. Mit und ohne Schiff. Bis zuletzt.

 

Was machen die wave watcher dann?

 

Sie stehen nicht mehr auf der Nock, um die Augen im Meer zu baden, ihre Blicke auf die Wellenberge klettern und durch die Wellentäler streifen zu lassen.

 

Sie halten sich fest.   Gut fest. Und rufen alle Göttinnen an, Nachsicht zu haben.

 

Gut fest.                                                   Habt Nachsicht!

 

      mit den Schwankenden.

 

 

 

Menschen, die regelmäßig zur See fahren, wissen es:

 

Das Meer, es wird immer stärker sein,

 

stärker als die vielzylindrigen Maschinen,

 

stärker als die tonnenschweren Schiffe.

 

Es kann nicht besiegt werden.

 

 

 

(Seemannsgarn. Und wie sie erzählen und erzählen von den Meeren und Schiffen. Seemannsgarn.)

 

 

 

In den Seekarten sammelt sich Jahrhunderte altes Wissen über Jahreszeiten bedingte Strömungen, Winde und andere Wetterlagen. Von den Tiefen, Buchten und Häfen.

 

Sie sind ebenso Ausdruck von Respekt gegenüber der See wie der technische Aufwand, die technische Betreuung, die den Antriebs- und Versorgungsmaschinen zukommt. Wer könnte besser vom Meer erzählen als jene Menschen, die Monate und Jahre dort verbringen?

 

Die meerhörer spitzen die Ohren:

 

Wellengeschichten, Seegeschichten.

 

Ebenso technisch wie poetisch und in jedem Fall voller Respekt. Ja, die wave watcher können ihren Ohren und ihren Augen trauen.

 


Eine Seefahrt…